Mut zur Vision - wie female Leadership mit innerer Klarheit beginnt

Teil 2 der Blogserie „Female Leadership von innen heraus“


In dieser Serie geht es darum, wie Frauen heute führen – nicht durch Anpassung, sondern durch innere Klarheit, psychologische Tiefe und authentische Präsenz.

In Teil 1 ging es darum, warum Führung innen beginnt – jenseits von Selbstoptimierung oder traditionellen Rollenbildern.


Jetzt geht es um den Mut zur Vision und darum, wie innere Führung entsteht – auch ohne CEO-Titel.

Es braucht keinen Titel, um zu führen. Viele Frauen sind längst in Führungsrollen – sichtbar oder unsichtbar. Sie organisieren, entscheiden, gestalten, begleiten und halten Räume. Manche leiten ein Unternehmen, ein Team oder einen Fachbereich. Andere wirken als Selbstständige, Beraterin, Coach oder Architektin. Doch was ihnen oft fehlt, ist nicht Kompetenz oder Energie – sondern eine innere Ausrichtung, die größer ist als der nächste To-do-Punkt.

In meiner Arbeit begegne ich immer wieder Frauen, die äußerlich viel bewegen, aber innerlich spüren, dass sie nicht mehr wirklich verbunden sind mit dem, was sie einmal angetrieben hat. Es sind starke, erfahrene Persönlichkeiten, die sich plötzlich fragen: Wofür mache ich das alles? oder Was will ich wirklich in Bewegung bringen? Diese Fragen sind kein Zeichen von Orientierungslosigkeit. Sie zeigen vielmehr, dass da jemand bereit ist, nicht nur zu funktionieren – sondern zu gestalten. Von innen heraus.

Vision ist kein Ziel – sie ist Haltung

Eine Vision ist kein messbares Ziel, keine Strategie und keine To-do-Liste. Sie ist ein inneres Bild davon, wie Sie wirken wollen – in Ihrer Arbeit, in Beziehungen, in der Welt. Die Vision ist ein Kompass, wenn das Außen unübersichtlich wird. Und sie gibt Kraft, wenn Selbstzweifel auftauchen.

Vision beginnt oft leise. Sie muss nicht klar umrissen sein, aber sie wirkt. Sie hilft, Entscheidungen zu treffen, Prioritäten zu setzen und sich selbst treu zu bleiben – vor allem dann, wenn äußere Anforderungen laut werden. Die Fähigkeit, sich immer wieder mit einer inneren Vision zu verbinden, ist eine Form von Selbstführung. Damit ist Vision ein Schlüssel für nachhaltige, gesunde, weibliche Führung.

Was die Forschung über Purpose und Sinn zeigt

Zahlreiche Studien bestätigen: Menschen, die einen klaren Sinn in ihrer Arbeit erkennen, sind gesünder, engagierter und resilienter. Die Yale-Professorin Amy Wrzesniewski unterscheidet zum Beispiel zwischen Job, Karriere und Berufung (Calling). Personen mit Calling-Orientierung berichten in ihrer Forschung signifikant häufiger von Erfüllung und sind insgesamt zufriedener mit Arbeit und Leben. Auch die internationale McKinsey-Studie Women in the Workplace 2022zeigt, dass eine Verbindung zwischen persönlichem Purpose und beruflicher Rolle zu mehr Engagement führt – und dass jene, die ihren Zweck in der Arbeit verwirklichen können, gesünder, resilienter und eher im Unternehmen bleiben. In der Positiven Psychologie gilt der Faktor Meaning (Sinn) als eine zentrale Säule des Wohlbefindens – neben positiven Emotionen, Engagement, Beziehungen und Erfolg. Mit anderen Worten: Vision ist kein Luxus, sondern ein psychologischer Schutzfaktor. Eine Ressource – besonders in Zeiten von Überlastung, Komplexität und Unsicherheit.

Warum Frauen sich oft schwer tun, eine Vision zu formulieren

Viele Frauen sind sozialisiert worden, zu funktionieren. Sie erfüllen Erwartungen, übernehmen Verantwortung und halten vieles am Laufen. Doch oft fehlt Raum – innerlich wie äußerlich – um sich zu fragen: Was ist mein eigentliches Anliegen?

Hinzu kommt: Frauen denken oft systemisch. Sie beziehen das große Ganze mit ein – Kolleg:innen, Kinder, Partner:innen, Organisation, Gesellschaft. Diese Fähigkeit ist eine Stärke. Doch sie kann dazu führen, dass Frauen sich selbst ausklammern, noch bevor sie überhaupt beginnen, eine eigene Vision zu entwickeln.

Ein weiteres Hindernis liegt in den stillen Botschaften, die viele Frauen verinnerlicht haben: nicht zu viel wollen, nicht zu dominant wirken, nur nicht „zu ambitioniert“ erscheinen. Das Risiko, als egozentrisch oder egoistisch wahrgenommen zu werden, ist für Frauen nach wie vor höher – besonders in verantwortungsvollen Positionen. Genau deshalb ist es so wichtig, sich bewusst mit der eigenen Vision zu verbinden. Nicht um sich abzugrenzen, sondern um wirksam zu sein, ohne sich selbst zu verlieren

Ein Beispiel aus dem Coaching

In einem Coaching begleitete ich eine erfahrene Führungskraft aus dem sozialen Bereich. Sie hatte viel erreicht, galt als verlässlich, empathisch, kompetent. Doch sie war innerlich erschöpft. Ihre Worte waren deutlich:
„Ich mache meine Arbeit gut, aber ich spüre mich kaum noch dabei.“

Im Coaching wurde sichtbar: Ihre eigentliche Motivation war nicht das Organisieren oder Managen. Sie wollte Menschen auf einer tieferen Ebene stärken. Entwicklung ermöglichen. Räume schaffen, in denen Potenziale sich entfalten dürfen.

Diese Erkenntnis veränderte etwas. Nicht abrupt, sondern schrittweise. Sie begann, sich auf das zu fokussieren, was wirklich zu ihr passte. Sie führte anders. Mit mehr Klarheit. Und schließlich veränderte sie auch ihr berufliches Umfeld. Nicht weil sie versagt hatte – sondern weil sie den Mut gefunden hatte, sich mit ihrer Vision neu zu verbinden.

Vision beginnt mit Zuhören

Die eigene Vision lässt sich nicht erzeugen wie ein Ziel. Sie braucht Raum. Stille. Innenschau. Sie zeigt sich nicht in einer perfekten Antwort, sondern in einem Satz, einem Gefühl, einem Bild. Manchmal auch in einer Irritation.

Fragen, die hilfreich sein können, sind zum Beispiel:

  • Was hat mich immer schon berührt?

  • Wann bin ich wirklich lebendig?

  • Was würde ich auch tun, wenn ich nie dafür bezahlt würde?

  • Was möchte ich in anderen bewegen?

  • Welche Spuren will ich hinterlassen?

Wenn Sie Lust haben, Ihre eigene Vision zu erforschen, finden Sie hier eine Reflexionsübung zum Download:
📥 Reflexionsübung – Mut zur Vision (Word)


Die Rolle von Werten

Vision braucht Wurzeln. Diese Wurzeln sind Ihre Werte. Werte geben Ihrer Ausrichtung Tiefe. Sie machen Entscheidungen leichter und helfen, auch in stressigen Zeiten mit sich selbst verbunden zu bleiben.

Was ist Ihnen wirklich wichtig? Was darf auf keinen Fall fehlen in Ihrer Arbeit und in Ihrem Leben? Mut? Klarheit? Tiefe? Freiheit? Verbundenheit? Wachstum? – Sich die eigenen Werte bewusst zu machen und sie im Alltag sichtbar werden zu lassen, ist ein kraftvoller Schritt in Richtung authentische, weibliche Führung.

Ein Satz, der hilfreich sein kann:
„Ich wirke durch ___, weil mir ___ wichtig ist.“

Eine kleine Einladung

Vielleicht möchten Sie sich in den nächsten Tagen einfach morgens eine Frage stellen – ganz ohne Druck, einfach so:
„Heute bin ich da, um …“

Diese kleine Praxis kann überraschend viel in Bewegung bringen. Nicht als neue Aufgabe – sondern als Erinnerung: Sie haben eine Richtung. Auch wenn Sie sie gerade nicht in Worte fassen können.

Fazit

Eine Vision muss nicht laut sein. Sie muss nicht final formuliert oder strategisch perfekt ausgearbeitet sein. Aber sie will gehört werden. Sie will Ihnen als Kompass dienen – leise, kraftvoll, klar.

Female Leadership beginnt nicht im Außen. Sie beginnt mit der Entscheidung, sich zu verbinden: mit der eigenen Haltung, mit dem eigenen Warum, mit der eigenen Vision. Aus dieser inneren Verbindung entsteht Wirkung – menschlich, authentisch, nachhaltig.

👉 Im nächsten Teil geht es um das Thema Beziehungen gestalten – ohne sich zu verlieren. Darin schauen wir, wie Sie Nähe und Führung miteinander verbinden können, ohne sich selbst zu verbiegen. Bleiben Sie dran!

Quellen

¹ Wrzesniewski, A., McCauley, C., Rozin, P., & Schwartz, B. (1997). Jobs, Careers, and Callings: People’s Relations to Their Work. Journal of Research in Personality, 31(1), 21–33.
² McKinsey & Company & LeanIn.Org (2022). Women in the Workplace.
³ Seligman, M. (2011). Flourish: A Visionary New Understanding of Happiness and Well-being. Free Press.
⁴ Eagly, A. H., & Carli, L. L. (2007). Through the Labyrinth: The Truth About How Women Become Leaders. Harvard Business Review Press.

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Female Leadership - Führen von innen nach außen